Reportage: Skifahren in Andorra

BenB am 19 März 2024

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Je weiter südlich du gehst, desto wärmer wird es. Mache ich hier das Richtige? Unzählige Wahrscheinlichkeitsberechnungen schießen mir durch den Kopf, als ich im Winter 2023 mit meiner Frau in ein Flugzeug Richtung Barcelona steige. Endziel Andorra, auf der Suche nach etwas Neuem, jetzt wo der Schnee in den Alpen Mitte März so ausbleibt. Ist Exotik also die richtige Wahl oder solltest du dich lieber an die traditionellen Wintersportziele halten? Schnall dich an, es gibt kein Zurück mehr!

Barcelona als Zwischenstopp

“Herrlich, hier sieht es schon aus wie im Sommer”, sagt der Nachbar zu meiner Linken, als wir in der katalanischen Hauptstadt landen. “Leider ja”, antworte ich. Im Gegensatz zum Städtetrip des Mitreisenden fahren wir nämlich zum Snowbaorden ins 200km entfernte Andorra. Doch ein solcher “Zwischenstopp” ist einer der vielen Pluspunkte einer Urlaubsreise in diesen Zwergstaat, denn ein Tag Kultur am Mittelmeer ist eine logische Kombination. Wir überspringen das und steigen direkt in den Transferbus ein, der weniger als 60m vom Gepäckband entfernt abfährt. Einfacher geht’s nicht. Boardbag unten im Bus, Sitz zurück und Social Media an. Vamos! Die Kulisse bleibt jedoch sommerlich. Wird es gut gehen? Dann, nach drei Stunden, endlich weiße Gipfel.

Der Transferbus nach Andorra hält direkt neben der Ankunftshalle des Flughafens
Der Transferbus nach Andorra hält direkt neben der Ankunftshalle des Flughafens

Günstiger Steuersatz

Das winzige Andorra liegt in den östlichen Pyrenäen und grenzt an Frankreich und Spanien. Im Flachland, wo ich herkomme, haben wir keine Berge, während es in Andorra fast keine echten Täler gibt. Daher sind die Grundstückspreise nicht gerade günstig, da es nicht viel Baufläche gibt. Trotzdem ist es eine beliebte Wohngegend, vor allem für wohlhabende Sportstars und YouTuber. Der Grund dafür ist der günstige Steuersatz. Dieser wurde zwar in den letzten zehn Jahren auf Druck von außen verschärft, aber es gibt immer noch viele lukrative Vergünstigungen. Auch für dich als Urlauber, denn du zahlst dort nur 4,5 Prozent Mehrwertsteuer. Dies sind nur einige der vielen bemerkenswerten Merkmale dieses höchstgelegenen Landes in Europa. Es hat zum Beispiel keine Armee, keinen Flughafen und keine Eisenbahn und hatte noch nie eine eigene Währung.

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Exotisch

Wieder einmal hält der Bus direkt an unserem Zielort, so dass wir nicht viel unsere Koffern schleppen müssen. Sieben Stunden nach dem Abflug stehen wir vor unserer Unterkunft, dem Hotel Guillem in Encamp. Es ist eines der fünf Skidörfer, die Grandvalira, Andorras größtes Skigebiet, umgeben. Das niedrig gelegene Encamp liegt ein bisschen ungewöhnlich denn du musst eine sechs Kilometer lange Gondel nehmen, bevor du auf die Piste kannst. Es gibt keine Talabfahrt. Das macht es weniger beliebt, was sich auch in den Preisen widerspiegelt. Ein Glücksfall, denn die Bergstation Cortals (2.502 m) ist der perfekte Ausgangspunkt, um das weitläufige Skigebiet zu erkunden. Außerdem bist du von Encamp aus auch schneller in der Hauptstadt Andorra la Vella. Diese weisen Worte hat uns Frans Meurs, der Ansprechpartner für [Sunweb-Urlauber in Andorra] (https://www.sunweb.de), zugeflüstert. Er lebt schon sein halbes Leben hier und hat die Entwicklung des Wintersports hautnah miterlebt. “Früher, in der Blütezeit, kamen Busladungen voller Niederländer hierher. Das war natürlich eine ziemlich lange Fahrt, aber der Jugend machte das nichts aus. Jetzt fliegen die Leute”, sagt Frans, der sich vor einigen Jahrzehnten hier niedergelassen hat. “Die Massentourismus ist ein bisschen weniger, dabei sind eigentlich mehr Lifte und Pistenkilometer dazugekommen. Andorra verdient es, wiederentdeckt zu werden!”

Wintersport vom Feinsten

Die Worte von Frans hallen noch immer während unserer 15-minütigen Fahrt mit der Funicamp-Gondel nach. Können sie hier mit die Alpen mithalten? Die Wintersportländer östlich von Österreich zum Beispiel haben mich noch nie wirklich beeindruckt. Was werden wir in diesem südlichen Teil Europas vorfinden und wird es sich lohnen? Von einer schwülen, historischen Kulisse aus finden wir uns plötzlich in einer kalten Wintersportwelt voller moderner Lifte wieder. Was für ein Kontrast! Wer denkt, dass es außerhalb der Alpen keine anständigen Skigebiete gibt, irrt sich gewaltig. Ein Pistenkamm nach dem anderen erstreckt sich vor uns, insgesamt 210km. Und was für ein Kaliber! Die durchschnittliche Höhe hier liegt zum Beispiel über den Gipfeln der SkiWelt Wilderkaiser-Brixental, die bei Deutschen so sehr beliebt ist. Eigentlich gar nicht so ungewöhnlich für ein Land mit sechzig Gipfeln über 2.000 m Höhe, mit der Comapedrosa (2.943 m) als Höhepunkt. Grandvalira ist so groß, dass es in sieben Sektoren unterteilt ist. Gegen Ende des Skitages schallt eine freundliche Durchsage durch die Lautsprecher, damit du dich rechtzeitig auf den Weg zu deinem eigenen Sektor machst, um noch den Anschlusslift zu erwischen.

Sektorhüpfen

Die Pisten carven genauso schön wie die alpinen Varianten. Vom Sektor Encamp geht es schnell durch den zentral gelegenen Sektor Grau Roig zum Sektor Pas de la Casa, der an die französische Grenze liegt. Es fällt auf, weil das 1.710 Meter hoch gelegene Dorf auch ein bisschen wie die geplanten französischen Skistationen aussieht, inklusive Plein Neige. Es ist vor allem bei jungen Leuten wegen seiner vielen Möglichkeiten zum Nachtleben beliebt. Weiter zum nächsten Sektor. In Peretol kannst du nachts in einem beleuchteten Snowpark freestylen, während die benachbarten Sektoren Soldeu und El Tarter für ihre Rennstrecken bekannt sind. Nicht umsonst finden dort in diesem Winter die FIS-Weltcupfinals statt, deren Eröffnung wir dank Frans’ Kontakten en passant mitbekommen haben. Der Sektor Canillo schließlich ist vor allem eine ruhige Ecke, die sich deshalb auf Familien konzentriert. Wir sind beeindruckt. Die Abfahrten in Grandvalira sind überall breit und sicher nicht kurz, man kann tolle Rundtouren unternehmen. Auch Freerider können sich hier austoben, vor allem an den Flanken, die das Skigebiet am südlichen Rand begrenzen.

Die Beschilderung ist hervorragend
Die Beschilderung ist hervorragend

Hipster-Paradies

Was macht Andorra anders als die Alpen? Neben der katalanischen Sprache ist es natürlich die allgemeine Stimmung. Überall, wo wir an Berghütten vorbeikommen, gibt es Hipster-Tanzmusik. Jede Hütte hat ihr eigenes DJ-Pult im Freien und an Liegestühlen mangelt es auch nicht. Ein bisschen Ibiza im Schnee. Das liegt daran, dass die komplette Gastronomie im Besitz der Liftgesellschaft sind, also keine privaten Berghütten wie in Österreich. Das ist erfrischend im Vergleich zu den recht traditionellen Alpen und hat einen eher modernen Touch. Es wurde ein Konzept in Bezug auf Stil und Dekoration geplant und durchgeführt. Vielleicht kommt das Schweizer Laax dem am nächsten. Foodtrucks wechseln sich mit schicken Weinbars ab, eine Kräutertee-Lounge oder ein Burgerladen wie in einer Großstadt zieht vorbei, ebenso wie ein Frankfurter Wurstspezialist und ein Restaurant, in dem es nur mediterrane Risotto- und Pastagerichte gibt: unser Favorit. Spüle es mit einem berühmten Champagner oder einem unbekannten IPA herunter: Die Auswahl ist riesig. Abgesehen von der Rechnung, die sich in engen Grenzen hält. Es sieht so aus, als hätte man einem Haufen Hipster freie Hand gelassen, das Skigebiet einzurichte. Wundere dich übrigens nicht, wenn du von einem Argentinier bedient wirst; diese Saisonarbeiter arbeiten hier in großer Zahl, auch wegen der Sprache.

Andorra Sound Project

Die Musik hört nicht auf, wenn die Pisten schließen. Auch hier gibt es Après-Ski, aber nicht mit Schlagern. In Sankt Anton gibt es zum Beispiel den MooserWirt, hier gibt es L’Abarset. Dieser Haustempel am Fuße des Talhangs bei El Tarter wurde erst kürzlich renoviert. Er hat fünf Millionen Euro gekostet! Mit seinem pyramidenförmigen Grundriss und den kunstvollen Holzbindern ist er ein echter Hingucker geworden. Eines der beiden spitzen Dächer beherbergt ein stilvolles Restaurant, das an einen überdachten Partyplatz angrenzt. Hier wogt die Menge Nacht für Nacht auf und ab. “Es ist nicht nur bei Urlaubern beliebt, auch die Andorraner kommen gerne hierher zum Ausgehen”, sagt Vittosky Serranov, der Chef von Andorra Sound Project. “Wo sonst trifft man in den Pyrenäen auf Top-DJs und feuerspeiende Tänzer?” Vittosky - “Nenn mich einfach Vito” - ist auch schon seit den ersten Tagen dabei. Wo er zuerst als DJ bei Frans’ holländischen Nächten auflegte, ist er jetzt für die gesamte Musik auf dem Berg verantwortlich.
Die Tanzfläche füllt sich ständig und auch das VIP-Deck hinter dem DJ stößt an seine Grenzen, anders als die Preise, die du dort für einen Tisch bezahlst. Dann stehst du allerdings nur wenige Meter von Größen wie Fatboy Slim entfernt, der dort erst im Februar aufgetreten ist. Das Feuerwerk ist für uns ein gutes Zeichen, um zurück zum Hotel zu gehen. Die andorranische Antwort auf La Folie Douce, enttäuscht nicht, im Gegenteil!

Bordas

Was die Skigebiete angeht, ist Andorra echt gut, aber gibt es noch mehr? Wir haben einen Tipp für einen Ausflug in die nahe gelegene Hauptstadt Andorra la Vella bekommen. Du musst dafür keinen Skitag opfern, sondern kannst es einfach nach der Schließung der Pisten tun. Wir beginnen mit einem Bad im Caldea Spa mit seinem Thermalwasser. Schon der Rundgang durch dieses architektonische Meisterwerk voller Spiegel und Stahl ist ein Erlebnis für sich, ganz zu schweigen vom Schwimmen. Danach gehen wir hinüber zur belebten Avenue Carlemany, wo du bis 21 Uhr nach Herzenslust shoppen kannst. Parfüms, Kosmetik, Elektronik: alles mit Steuervergünstigungen. Zum Abschluss gibt es im Zentrum unzählige gute Lokale, aber dafür musst du nicht unbedingt in die Hauptstadt fahren. Zum Beispiel findest du überall Bordas, alte Scheunen mit auffälligen Schieferdächern, die zu Restaurants umgebaut wurden. Inmitten all der modernen Hotelkomplexe in den einheitlichen Skidörfern sind diese bescheidenen Stände der Weg, um im wahrsten Sinne des Wortes und im übertragenen Sinne das echte Andorra zu erleben. Unser Favorit ist das Borda de l’Hereu 1693 in Encamp. Ein typischer Fall von “Wenn Mauern sprechen könnten”, denn die jahrhundertealten dicken Steinmauern, die im Kontrast zum modernen Interieur stehen, verströmen Geschichte. Küchenchef Joël Sala zaubert Ibérico-Schinken und Sardinen, schreckt aber auch nicht vor Klassikern wie dem Dry-Aged Chuletón, wie das Rib-Eye-Steak hier genannt wird, das über Holzkohle gegart wird. Ein hervorragendes Essen zu einem Preis, dier getrost als günstig bezeichnet werden kann. Lang lebe der Mehrwertsteuervorteil!

2 Skigebiete

Darf es noch etwas extra sein? Ja, denn Grandvalira ist nicht das einzige Skigebiet in Andorra. Das Pal Arinsal (63 Pistenkilometer) und das noch nördlichere Ordino Arcalís (31 Pistenkilometer) sind im Verbundskipass enthalten und morgens und am späten Nachmittag mit dem kostenlosen Skibus erreichbar. Leider kleiner und weniger anspruchsvoll, aber dafür schön und übersichtlich, zum Beispiel für Familien. Oder einfach nur als toller Tagesausflug. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf steigen wir in den Bus nach La Massana. Innerhalb von zwanzig Minuten sind wir in dem Talort Pal Arinsal. Das Skigebiet besteht aus zwei Teilen, die durch eine Gondel verbunden sind, die dieses Jahr in den Ruhestand geht. Pal (2.358 m) bietet hauptsächlich stimmungsvolle Pisten durch den Wald, während das etwas höher gelegene Arinsal (2.560 m) kaum Bäume, aber einen guten Snowpark hat. Auch hier gibt es wieder Food Trucks und peppige DJ-Musik (mit Dank an Vito), um dein Mittagessen aufzupeppen; wir werden es vermissen, wenn wir wieder in den Alpen sind.

Reiseinfos

Hast du auch Lust, an diesem exotischen Ort Wintersport zu treiben? Sunweb bietet interessante Pauschalreisen nach Andorra!

BenB
Ben arbeitet seit über 20 Jahren im Tourismus und ist Spezialist für den Verkauf von Skireisen.
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