Fotoreportage: Mit dem elektrischen Auto entlang der deutschen Alpenstrasse

Edo am 22 Januar 2024

Aufladen, Skifahren, Schlafen und das Ganze nocheinmal. Mit diesem strengen Regime im Hinterkopf machte ich mich zusammen mit meinem Kollegen Merijn, in einem elektrischen Auto auf den 450 Kilometer langen Roadtrip entlang der deutschen Alpenstraße. Die älteste und schönste Touristenroute Deutschlands führt fast direkt an der österreichischen Grenze entlang. Sie beginnt in Lindau am Bodensee und endet in Berchtesgaden und schlängelt sich an zahlreichen kleinen Skiorten vorbei. Fünf statten wir einen Besuch ab: um das Auto und Merijns Beine aufzuladen. Der Energiewettlauf hat begonnen!

Etappe 1: Lindau - Oberjoch (72 km)

Der Regen klopft erbarmungslos gegen die Front des elektrischen Audi Q4, während wir über die Autobahn rasen: Schlechte Voraussichten. Es sei denn, Oberjoch, unser erstes Ziel, liegt mit seinen 1.150m Höhe knapp über der Schneegrenze. Dann ist alles gut, jetzt ist es erstmal trübselig. Unsere erste Etappe auf der Alpenstraße von Lindau in Richtung Allgäuer Hochalpen ist also eine, die wir schnell vergessen. Das ist nicht schwierig, denn die Sicht ist gleich null. Erst auf halber Höhe des Oberjochpasses, der bei Motorrad- und Radfahrern für seine 106 Kehren bekannt und beliebt ist, klart es auf. Ja, es liegt Schnee! Und wir brauchen keine Schneeketten! Ganz oben auf dem Pass, der auf das Mittelalter zurückgeht, liegt der höchstgelegene Ort Deutschlands. Oberjoch war ein ziemlich vergessen Ort, bis der erste Skilift auftauchte. Jetzt ist es ein wohlhabendes Skidorf. Zehn Meter vor dem schneebedeckten Berg- und Aktivhotel Edelsberg rutschen wir jedoch wieder bergab. Es hat uns doch noch erwischt. Eine Kette um das linke Hinterrad (unser elektrischer Audi hat Hinterradantrieb!) reicht aus, um das Ziel zu erreichen. Schnell an die Ladestation im Hotel, denn die Batterie ist nur noch zu fünf Prozent aufgeladen.

Vollgas durchs Skigebiet

Frisch gestärkt starten wir am nächsten Morgen in unseren ersten Skitag. Wir sind nicht die Einzigen, die den frischen Schnee genießen wollen. Die meisten Touristen übernachten in Bad Hindelang am Fuße des Passes und sind nun massenhaft hinaufgefahren. Die Parkplätze sind prall gefüllt, aber auf den Pisten ist davon merkwürdigerweise nichts zu spüren. Zum Glück, denn auf 32 Pistenkilometern kann es schnell voll werden. Das liegt wahrscheinlich an den modernen Sesselliften, die seit 2015 das Rotationstempo erhöht haben. Wir durchqueren das Skigebiet, das aufgrund der Inversion teilweise in Wolken gehüllt ist, in halsbrecherischem Tempo. Auffallend ist die eigenartige Anordnung: Fast alle Pisten liegen parallel nebeneinander an einer Nordflanke. Das ist gut für die Schneeverhältnisse, aber ein bisschen langweilig, was das Erlebnis angeht. Schließlich fährst du ständig seitwärts und hast immer die gleiche Aussicht auf das Tal. Tatsächlich ist Oberjoch ein großartiges Skigebiet für Skianfänger, die nicht viele Pistenkilometer brauchen. Das große Kinderland ist auch ideal für Familien, die es gerne übersichtlich halten wollen. Wenn du jedoch echtes Alpenfeeling erleben willst, solltest du dich auf den Weg zu unserem nächsten deutschen Ziel machen: Garmisch-Partenkirchen.

Etappe 2: Oberjoch - Garmisch-Partenkirchen (113 km)

Bevor wir in Deutschlands berühmtestem Skigebiet ankommen, passieren wir verschiedene malerischen Punnkte, was natürlich der Zweck dieser touristischen Route ist. Wir blicken auf wunderschöne Dörfer und märchenhafte Schlösser, mit Schloss Neuschwanstein bei Füssen als Prunkstück. Wenn die Alpenstraße vom Allgäu nach Oberbayern führt, wechseln sich auf unserer Route Gras und Schnee häufig ab. Der jüngste Nordstau, die einzige Versorgungsmöglichkeit mit Schnee für die süddeutschen Skigebiete, hat einen klaren Schlussstrich gezogen. Zum Glück hat Garmisch-Partenkirchen davon profitiert und die Flanken des Wettersteingebirges wurden weiß. Der aus zwei Ortsteilen bestehende Stadt ist nivht nur für das jährliche Skispringen am Neujahrstag und die Skirenennen auf der Kandahar Abfahrt bekannt. Doch sie ist viel mehr als nur ein Wintersportort und setzt auch auf Gesundheitstourismus. Unser Riessersee Hotel, das etwas oberhalb von Garmisch liegt, ist ein gutes Beispiel dafür. Bei uns gibt es allerdings keine Wanderwege oder Wellness, sondern wir erkunden die Pisten in Garmisch Classic (40 km Pisten), wie das Skigebiet offiziell heißt. Viele denken, dass dazu auch die benachbarte Zugspitze gehört, Deutschlands höchster Berg und einziger Skigletscher. Das stimmt zwar in Bezug auf den Liftpass, aber nicht in Bezug auf die Pisten, denn sie sind nicht miteinander verbunden.

Vollgas auf der Kandahar

Garmisch Classic macht seinem Namen alle Ehre, denn es gibt kein klassischeres Bild des Wintersports. Und das liegt nicht nur an den antiken Gondeln. Es sind vor allem die markanten hochalpinen Gipfel, die sich steil aus dem fast berglosen Hinterland erheben. Das Kaiserwetter tut sein Übriges dazu. Wir sind daran gewöhnt, aber einen Moment lang sind wir sprachlos. Dann melden sich die Skifahrer in uns und kreischen vor Freude über die vielen anspruchsvollen Pisten. Merijn ist besonders von der schwarzen Kandahar, der berühmten Weltcup-Abfahrt, angetan. “Als ob ich wieder Speed-Ski fahren würde”, keucht der ehemalige Athlet am Ende der Gondelbahn. Du musst übrigens nicht ständig Vollgas fahren, sondern kannst auch auf entspannter Spaß haben. Zum Beispiel von der Alpspitze (2.628 m) über das Kreuzeck (1.651 m) zum Hausberg (1.310 m), wo sich die leichtesten Pisten befinden. Trotz seiner geringen Größe kann Garmisch Classic mit den österreichischen Skigebieten mithalten: Man hat wirklich das Gefühl, im Herzen der Alpen zu sein. Nach einem kurzen Insta-Moment an der berühmten olympischen Skisprungschanze geht es wieder weiter in den Osten.

Etappe 3: Garmisch-Partenkirchen - Spitzingsee (146 km)

Die Deutsche Alpenstraße wurde erstmals 1879 in einer Veröffentlichung über einen historischen Reisebericht des bayerischen Königs Maximilian II. von 1858 erwähnt. In den späten 1920er Jahren warb auch der angesehene Arzt Knorz aus Prien am Chiemsee für die Tour, denn “die bayerischen Alpen sind von so großer Schönheit, dass jeder Reisende sie sehen sollte”. Tourismusverbände und Abgeordnete versprachen alle, sich für dieses Ziel stark zu machen. Der Deutsche Touring Club übernahm 1932 die Leitung mit einem Plan für die Route und die dazugehörige Infrastruktur. Der erste Abschnitt bis Inzell wurde 1933 gebaut, und bis 1939 waren genau 275km Straße fertiggestellt. Um 1960 wurde schließlich das letzte Teilstück zwischen dem Bodensee und dem Königssee eröffnet. Die Strecke ist sowohl im Sommer als auch im Winter befahrbar und vor allem die mal weißen, dann wieder blauen Seen sind ein optisches Highlight während der Fahrt. So fahren wir heute am Walchensee, Kochelsee, Sylvensteinsee, Tegernsee und Schliersee vorbei und enden am Spitzingsee. Nicht ganz zufällig ist diese wunderschöne Gegend die Heimat einer der reichsten Gemeinden Dutschland. Der Tegernsee zum Beispiel ist bei wohlhabenden Mitbürgern beliebt, darunter auch einige bekannte (Münchner) Profifußballer.

Tourenskiparadies

Der Spitzingsee, der auf einer plötzlich auftauchenden Erhebung in der Landschaft liegt, verfügt über ein kleines, aber feines Skigebiet. Bei guten Bedingungen, wie heute, platzt der Parkplatz jedoch aus allen Nähten mit Tagesausflüglern aus dem nahegelegenen München. Trotzdem sind die 14 Pistenkilometer noch gut befahrbar, ebenso wie die Lifte. Viele Besucher packen die Tourenski aus. Lange Bänder von Wintersportlern schuften am Rande der Pisten auf Fellen hinauf zum Ziel; dem Gipfelkreuz auf dem Roßkopf (1.580 m). Das Skifahren scheint hier zweitrangig zu sein. Auf dem Gipfel des Stümpflings (1.484 m) nehmen wir die Talabfahrt zur Rückseite. Von hier aus fährt auch ein Sessellift für Besucher aus Tegernsee bergauf. Auf der Abfahrt zurück zu unserem Auto haben wir einen schönen Blick auf den zugefrorenen Spitzingsee. Auf der anderen Seite des Sees liegt der Taubenstein (1.693 m): Früher ein Skigebiet, ist er heute ein beliebtes Tourenskigebiet für Freerider. Die Gondel fährt nur noch im Sommer, du musst also aus eigener Kraft hinaufkommen.

Etappe 4: Spitzingsee - Sudelfeld (20 km)

Mit einem kräftigen Tritt aufs Gaspedal rollen wir lautlos in das nahe gelegene Berghotel Sudelfeld. Die Ski-in- und Ski-out-Unterkunft liegt auf einem Bergpass und damit direkt an der Spitze des Skigebiets, was in Deutschland ziemlich einzigartig ist. Das Skiparadies Sudelfeld ist wie der Spitzingsee bei den Münchnern beliebt, bietet aber viel mehr Pisten: nämlich 31km. Gleich nebenan liegt das Mini-Skigebiet Wendelstein (1.838 m) mit seinem markanten Sendemast, den du schon von der Autobahn Richtung Kufstein aus sehen kannst. Unser Kollege Henri hat einen tollen Artikel über dieses kleine Skigebiet verfasst. Das ist auch das Tolle dieses Roadtrips. Wir finden uns plötzlich an Orten wieder, an denen wir normalerweise mit Vollgas vorbeifahren würden. Sudelfeld zum Beispiel kann perfekt für einen Familienurlaub sein. Gut für den Geldbeutel, denn die Preise sind erschwinglich und du drückst dich häufig auch um den Stau Richtung Österreich.

Freilichtmuseum

Obwohl es stark modernisiert wurde, gibt es im Skigebiet Sudelfeld noch einige alte Lifte. Nicht schlimm. Dieser Museumseffekt verleiht deinem Besuch noch mehr Atmosphäre. Ein Muss ist der 1967 erbaute 1er-Sessellift von Bayrischzell hinauf. Aus demselben Jahr scheint auch das Outfit und die Skier eines Einheimischen zu sein, mit dem wir uns auf dem Weg zum höchsten Punkt auf 1.563 m den Sessellift teilen. Der Achtzigjährige lobt seinen Heimatberg in den höchsten Tönen und versteht nicht, warum die Leute unbedingt zum Wintersport nach Österreich fahren wollen. Wir verabschieden uns auf dem Gipfel und er fährt in einem mörderischen Tempo im Zickzack hinunter. Beurteile Niemanden auf Basis seines Äusseren! Wir kehren in der rustikal aussehenden Speckalm ein, als es Zeit für das Mittagessen ist. Eine gute Wahl; das Essen ist genauso ansprechend wie das Aussehen der Hütte. Es stehen Alpenklassiker wie Schnitzel, Kaiserschmarren und Germknödel auf der Karte. Natürlich probieren wir Würstchen und Leberkäse, zu denen wir eine enorme Ladung Pommes aufgetischt bekommen.

Etappe 5: Sudelfeld - Reit im Winkl (73 km)

Unser letztes Skigebiet vor dem Ziel war die Winklmoosalm in der Nähe des Orts Reit im Winkl, aber natürlich gab es noch viele weitere zur Auswahl. So kamen wir auf dem Roadtrip unter anderem an Ofterschwang, Nesselwang und Brauneck vorbei, ohne dort Ski zu fahren, sowie an zahlreichen Hausbergen mit eigenen Schleppliften. Bayern bietet jede Menge Abfahrtsspaß für alle, die nicht nur auf die Pistenkilometer achten. Die Winklmoosalm ist dank ihrer Verbindung mit der österreichischen Steinplatte bei Waidring die größte der fünf. Rund 42 Pistenkilometer schlängeln sich durch das Zwei-Länder-Gebiet, wobei der deutsche Teil die einfachsten Pisten bietet. Die Lifte sind schnell und modern; das war auf dieser Reise anders. Auf der Rückseite blicken wir auf die beiden Bundesländer Tirol und Salzburg. Auch hier fühlt es sich anders an. Es ist mehr auf den Massentourismus ausgerichtet. Merijn fühlt sich wie zu Hause und leert seinen Akku auf der Nordhangpiste von der 1.860m hohen Steinplatte. Richtig schön schwarz! Ein toller Kontrast zur breiten und langen Rossalmpiste Richtung Winklmoosalm, die für Anfänger sehr zu empfehlen ist. Wir biegen zur Talabfahrt zum Parkplatz Seegatterl ab. Die lange, flache Abfahrt durch den Wald entlang eines Bachs ist alles andere als anspruchsvoll aber wirklich traumhaft schön, wenn Neuschnee gefallen ist. Da es unsere letzte Meter dieser Tour auf Skiern ist, geben wir nochmal alles, um ohne Stockeinsatz den Parkplatz zu erreichen.

Märchenhaftes Ende in Berchtesgaden

Zum Glück müssen wir nicht die sechs Kilometer zurück nach Reit im Winkl fahren, wo wir im Relais & Châteaux Gut Steinbach übernachtet haben. Es geht direkt weiter nach Berchtesgaden, das mit seinen vielen kleinen Kirchen und bunten Dächern aussieht, als wäre es direkt einer Postkarte entsprungen. Der märchenhafte Königssee ist der physische Endpunkt der Reise. Diese Touristenattraktion wird von dem markanten Watzmann (2.713 m) flankiert. Die imposante Skyline erinnert an das majestätische Massiv rund um Garmisch-Partenkirchen. Die Natur strahlt Erhabenheit aus. Auf der anderen Seite des Sees, auf dem 1.874 Meter hohen Jenner, kannst du sogar Ski fahren. Wir nicht, denn unser Akku ist leer. Zeit für eine Stärkung im [Hotel Edelweiß] (https://www.edelweiss-berchtesgaden.com/en/). Es war schön. Dank der vielen Zwischenstopps und der damit verbundenen Aufladepunkte war die Reise genau richtig. Eine ganze Woche in einem der fünf Skigebiete schien uns ein bisschen zu viel des Guten zu sein. Aber wenn du den Aufenthalt mit anderen Winteraktivitäten oder in unserem Fall mit einer Mission bereicherst, wird dich dieser verschneite Teil Deutschlands ganz sicher nicht enttäuschen.

Wir danken J.Lindeberg, dass man uns unterstützt hat, diese Reise möglich zu machen.
Wenn du mehr über die Deutsche Alpenstraße wissen willst, besuche ihre eigene Website mit vielen Informationen über die Highlights der Route.

Edo
Redakteur und Fotograf, der 4 Winter in den Alpen gelebt hat.
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